Das fordern wir
Jugend beteiligen
Die Änderung des § 41 a der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg 2015 war dazu ein wichtiger Schritt, dem aber viele weitere folgen müssen. Aus unserer Sicht müssen vor allem die Senkung des Wahlalters sowie der Aufbau von wirksamen Jugendbeteiligungsstrukturen eine hohe Priorität für die neue Landesregierung haben.
Unabhängig von der Teilnahme an Wahlen müssen Partizipationsformate auf Landesebene für junge Menschen geschaffen bzw. ausgebaut werden. Das Land muss dafür geeignete Rahmenbedingungen schaffen – durch Personal, Räume und Finanzmittel einerseits, einen verbindlichen Leitfaden zur starken Jugendbeteiligung auf kommunaler und Landesebe andererseits. Das Ziel einer starken Jugendbeteiligung wird in manchen Fällen durch direkte Beteiligung erreicht, in anderen durch die Beteiligung von Jugendvertreter*innen, die in den Strukturen der Jugendarbeit gewählt werden. Es muss sichergestellt werden, dass konkrete und nachprüfbare Ergebnisse erzielt werden und junge Menschen in die Lage versetzt werden, die Umsetzung der Beschlüsse zu überprüfen.
Dies kann dann gelingen, wenn die Strukturen jungen Menschen ermöglichen, in einem attraktiven Umfeld Prozesse zu begreifen, mitzugestalten und ihre Interessen wirksam zu vertreten. Daher fordern wir, dass alle Ressorts in ihren Zuständigkeitsbereichen Jugendbeteiligungs-Strukturen verbessern bzw. schaffen. Diese Jugendbeteiligungsstrukturen müssen transparent dargestellt, systematisch evaluiert und permanent weiterentwickelt werden.
Junge Menschen sollen frei sein in der Wahl der Themen und Vorgehensweisen. Landespolitik und -verwaltung geben also Macht an junge Menschen ab. Dies gelingt umso besser, wenn die Organisation von Partizipationsformaten bei den Jugendverbänden und dem Landesjugendring liegt, die dafür auskömmlich gefördert werden müssen.
Aus Mitteln des Masterplan Jugend wird seit 2018 die Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung aufgebaut. Sie dient der Vernetzung und Qualifizierung von Kinder- und Jugendbeteiligung und muss dauerhaft eingerichtet werden.
In der repräsentativen Demokratie ist die zentrale Form politischer Beteiligung die Wahl. Derzeit sind Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg von Wahlen (außer die über 16-Jährigen auf kommunaler Ebene mit aktivem Wahlrecht) ausgeschlossen. Doch soll bei freien und gleichen Wahlen alle Macht vom Volk ausgehen. Jugendlichen darf das aktive und passive Wahlrecht als fundamentales demokratisches Recht nicht länger verwehrt werden. Als nächster Schritt muss deshalb das aktive und passive Wahlrecht bei Landtags- und Kommunalwahlen auf 16 abgesenkt werden. Die Wahlaltersabsenkung wird mit einem entsprechenden Ausbau der politischen Bildung begleitet.
Wir sind uns sicher: Wahlen als eine der zentralen Formen politischer Beteiligung dürfen nicht mit einer willkürlichen Altersgrenze einhergehen. Die Gesellschaft muss Jugendlichen Wahlentscheidungen zutrauen!
Der umfassende Ausbau der Jugendbeteiligung dient der Stärkung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Kultur in Baden-Württemberg. Wirksame Jugendbeteiligung und damit die Erfahrung junger Menschen, ernstgenommen und gehört zu werden, beugt Extremismus und gesellschaftlicher Spaltung wirksam vor.
Jugend ernst nehmen
Moderne Demokratien leben davon, dass Bürger*innen sich für das Gemeinwohl engagieren und so eine lebendige Bürger*innengesellschaft entstehen lassen. In der Kinder- und Jugendarbeit lernen die jungen Bürger*innen auf besondere Weise, wie solche Verantwortung übernommen und gestaltet werden kann. Dafür brauchen junge Menschen Freiräume, in denen sie sich engagieren wollen und können. Das Vertrauen in jugendliche Selbstorganisation und stetige Weiterentwicklung geeigneter Rahmenbedingungen sind wichtige Grundlagen.
Freiwilliges Engagement braucht Zeit – Zeit, die junge Menschen heute in der verdichteten schulischen, beruflichen oder akademischen Ausbildung immer weniger finden. Freistellungsmöglichkeiten von Unterricht und Ausbildung für freiwilliges Engagement als Teil der gesellschaftlichen Allgemeinbildung muss verbessert werden. Es braucht einen verbindlichen Rahmen zur Vereinbarkeit von Engagement und Studium.
Die Anerkennung gesellschaftlichen Engagements durch formale Würdigung in Zeugnissen oder durch credit points wirkt nicht nur symbolisch, sondern bringt für jungen Menschen einen persönlichen Mehrwert. Engagement in der Jugendarbeit muss als Sozialpraktikum anerkannt werden, Jugendleiter*innen-Schulungen als Seminare zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen.
Das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes in der Jugendarbeit ist bei vielen Arbeitgebern nicht bekannt und muss entsprechend bekannter gemacht werden. Es braucht eine Regelung zur Lohnfortzahlung. Azubis sind Arbeitnehmer*innen gleichzustellen. Auch das Bildungszeitgesetz muss dahingehend weiterentwickelt werden, dass es die Qualifizierung von Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit unterstützt, statt Hürden aufzubauen.
Jugend unterstützen
Die Lebensphase Jugend bringt einen ständigen Wechsel von Personen in der Jugendarbeit mit sich. Daher sind stabile und auskömmlich geförderte Strukturen der Jugendarbeit zentral: die Organisationen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit müssen bedarfsgerecht gefördert werden.
Die Strukturen der Jugendarbeit sind die Basis damit immer neue Jugendgenerationen sich als Individuen und soziale Gruppe entwickeln können und Selbstwirksamkeit erleben. Jugendverbände und -ringe sind eine wichtige soziale Infrastruktur, die dauerhaft vorzuhalten ist und gefördert werden muss.
Jugendverbände und Organisationen der Kinder- und Jugendarbeit haben sich in Jugendringen zusammengeschlossen, um gemeinsam die Anliegen und Interessen von jungen Menschen zu vertreten. Dabei werden sie in Baden-Württemberg sehr unterschiedlich gefördert.
Zu den Standards eines guten Gemeinwesens gehört die verlässliche und ausreichende Förderung der Interessensvertretung von Kindern und Jugendlichen. Das Land sorgt dafür, dass die Kommunen verlässlich und flächendeckend ihre gesetzliche Förderverpflichtung nach SGB VIII umsetzen.